Ein kleines Land hat die Nase vorn: Israel ist eine Startup-Großmacht

Published On: Juli 1st, 2019

Israel ist ungefähr so groß wie Hessen und hat so viele Einwohner wie das Rheinland. Man sollte nicht vermuten, dass sich hinter einem solchen vergleichsweise kleinen Staat eine Großmacht bei internationalen Startups verbirgt. Die Zahlen lassen aber schon seit Jahren aufhorchen. Israel ist Nummer Eins beim Venture-Capital-Aufkommen pro Kopf und Nummer Eins beim Startup-Anteil pro Kopf.

Internationale Top-Konzerne – allein 320 davon in Tel Aviv – haben in der Vergangenheit das hohe Potenzial der jungen israelischen Tech-Startups erkannt. Viele große deutsche industrielle Player wie Telekom, Mercedes oder Porsche mischen mit und haben Büros in der Nähe der Startup-Hotspots in Tel Aviv und Haifa eingerichtet. Mehr als 700 Exits mit einem Volumen von fast 80 Mrd. EUR hat es seit 2013 in Israel gegeben.

Startup-Finanzierungen in Israel waren 2018 auf einem Höchststand

2018 war ein Rekordjahr für die Hightech-Startfinanzierung in Israel. Insgesamt wurden 6,47 Milliarden Dollar investiert, ein Anstieg von 17% gegenüber 2017 und mehr als eine Verdoppelung des Betrags für 2013. (Quelle: IVC Research Center). Ein weiterer Rekord war die Zahl der Mega-Deals (24 mit 50 Millionen Dollar oder mehr), die 31% der 2018 aufgenommenen Summe ausmachten. 30% des im Jahr 2018 in israelische Startups investierten Kapitals stammten von israelischen Investoren und 70% von ausländischen Investoren – 35% aus den USA und je 3% aus China, Deutschland und Großbritannien. 2017 gab es den bisher größten Exit mit über 15 Mrd. Dollar, die für das Unternehmen Mobileye (Anti-Kollisionstechnik für autonomes Fahren) gezahlt wurden. 2018 wurde der Chip-Entwickler Mellanox für fast 7 Mrd. Dollar verkauft.

Der Erfolg Israels hat viele Väter

Wie ist es aber möglich, dass Israel im Konzert der großen Startup-Hubs eine wichtige Rolle spielt? Hier gibt es nicht den einen entscheidenden Grund, sondern eher eine Vielzahl von Faktoren. Das Land ist vergleichsweise jung und hat eine komplizierte Entstehungsgeschichte hinter sich. Die Menschen waren früh damit konfrontiert, dass sie über wenig Ressourcen verfügen, während andere Staaten auf Bodenschätze oder Landwirtschaft zurückgreifen konnten. Besonders Wasser und Lebensmittel waren anfangs sehr knapp in Israel.

So entstand früh die Notwendigkeit, innovative Lösungen zu finden, die schnell funktionieren und die mit den eigenen Möglichkeiten realisiert werden können. Auf der Insellage des Landes sind die Menschen gewohnt, sich selbst zu helfen. Dabei gilt für Israelis der Wahlspruch „Impossible is irrelevant“. Das ist das Fundament für die heutigen High-Tech-Entwicklungen. Ein zusätzlicher Katalysator für technische Entwicklungen auf dem höchsten Niveau ist das Militär des Landes. Die Armee forciert die Schaffung eigener Technologie, um so von Lieferungen aus dem Ausland unabhängiger zu werden.

Das Mindset der Israelis bringt Erfolgswillen

Die komplizierte Lage Israels im Nahen Osten und die ständigen Konflikte mit den Nachbarländern haben bei den Einwohnern dazu geführt, dass die Menschen mit Risiken leben können. Sie sehen die Dinge ein wenig gelassener und haben auch mit dem eigenen Scheitern weniger Probleme. Dieses Mindset hilft gerade bei der Gründung von Unternehmen. Israelis haben zudem wenig Respekt vor Autoritäten – und sie wollen den Dingen gerne auf den Grund gehen. Dieser Wissensdurst ist eine gute Basis für Entwicklungen insbesondere bei der Grundlagenforschung.

Startups suchen früh internationale Märkte

Israel hat eine sehr junge Bevölkerung und es gibt eine nicht nachlassende Zuwanderung aus anderen Ländern. Das führt dazu, dass viele Menschen bereits Erfahrungen aus dem Ausland mitbringen oder über ein Netzwerk verfügen. Gründerteams sind oftmals schon zu Beginn multinational aufgestellt. Eine internationale Orientierung ist für israelische Unternehmen überlebensnotwendig, da der heimische Markt zu klein ist. Daher wird bei der Wachstumsstrategie früh auf Internationalisierung gesetzt, es werden neue Märkte gesucht und ausländische Investoren angesprochen.

Erstklassige Universitäten sorgen für Innovationen

Eine wichtige Rolle für die beeindruckenden technischen Entwicklungen spielen auch die beiden wichtigsten Universitäten, das renommierte Weizmann Institut in Tel Aviv und das Technion in Haifa. Am Weizmann Institut wird Grundlagenforschung auf höchstem Niveau betrieben und im Technion stehen konkrete technologische Anwendungen im Fokus. Beide Hochschulen haben eigene Units, um ihren Absolventen bei der Gründung und Suche nach Finanzierungen unter die Arme zu greifen. Im gesamten Bildungssystem Israels wird früh auf die Förderung des Wissens im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich geachtet.

Was bringt die Zusammenarbeit mit israelischen Startups?

Gegenüber anderen großen Startup-Hubs in den USA oder China hat Israel den Vorteil, dass es relativ nahe an Europa liegt. Nur rund 4 Flugstunden müssen für eine Reise eingeplant werden und der Zeitunterschied beträgt nur eine Stunde. Auf diese Weise ist eine Zusammenarbeit mit Teams weitaus unkomplizierter. Israelische Startups sind auf der Suche nach einem Marktzugang. Der ZFHN hat hier bereits gute Erfahrungen mit der Verzahnung von innovativen technologischen Entwicklungen aus Israel mit dem etablierten Mittelstand in Süddeutschland gemacht.

Das Startup Inspekto ist ein gutes Beispiel für diese enge Verzahnung von innovativer Technik mit Anwendungsfeldern in der deutschen Industrie. Inspekto bietet eine ultraschnelle Werkstück-Erkennung, die auf künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen basiert. Für Produktionsbetriebe können sich auf diese Weise die Rüstzeiten bei neuen Produkten von mehreren Wochen auf wenige Stunden reduzieren lassen. Durch die Kontakte des ZFHN wurde eine direkte Zusammenarbeit von Industriebetrieben aus Süddeutschland mit Inspekto möglich gemacht. Und Heilbronn profitiert auch davon, denn das zukünftige europäische Vertriebsbüro von Inspekto wird hier eingerichtet.